Kunst kann einfach kein leichtes Futter sein
Bei seinem Besuch in Iquique 1835 beschrieb Charles Darwin den Ort an der chilenischen Pazifikküste als ein heruntergekommenes Dorf. Solch übler Nachrede erwehrt sich Iquique mittlerweile genauso erfolgreich wie den sandigen Übergriffen durch die benachbarte Atacama-Wüste. Auch Britta Naumann ist bei ihrem Aufenthalt in Chile dem Charme der Hafenstadt verfallen, Iquique sei für sie ein Sehnsuchtsort, erzählt sie. Überhaupt sind es vordem Orte, deren prägender Zugriff in den Erzählungen Britta Naumanns kenntlich wird. Da ist zuerst die Kindheit in Reez, welche die Tochter eines Seemanns in der märchenhaften Atmosphäre des örtlichen Gutshauses verbringt, später ist es die Studienzeit in Leipzig, die unauslöschliche Erinnerungen zeitigt. Von den Zeiten an der Hochschule für Grafik und Buchkunst spricht Britta Naumann heute als den vielleicht wichtigsten Lebensjahren. Das ist auch verständlich angesichts des Umstandes, dass die Immatrikulation seinerzeit einen Abschied einläutete, der die examinierte Radiologieassistentin in das Wagnis des Künstlerdaseins entließ. Der Nachhall der eindringlichen Erfahrungen an der Leipziger Hochschule vergegenständlicht sich heute in der künstlerischen Vielseitigkeit Britta Naumanns, was sich nicht zuletzt auf die unkonventionelle Auswahl ihrer Gestaltungsmittel bezieht. Schließlich zählen neben Farben auch Extravaganzen wie Muschelreste, Fossilien, Kaffee, Borke, Ruß und immer wieder Sande dazu. Zu Sanden unterhält Britta Naumann eine ganz besondere Beziehung, wiederkehrend finden sie ihren Weg von fernen Ursprungsorten auf die Leinwände Britta Naumanns. Das OEuvre der Künstlerin wiederum bezeugt auf diese Weise die erneute Begegnung mit jenen Orten, die im Zuge künstlerischer Auseinandersetzung erneut bereist werden. Dabei fungieren die sedimentären Versatzstücke weniger als die Reminiszenz betreffende Devotionalien. Mit ihrer spezifischen Narration des Es war einmal umschifft Britta Naumann den Bereich des Sentimentalen und stellt das Erlebte in den Kontext neuer, mitunter auch unbequemer Fragen. Exemplarisch verweist so der expressive Rückbezug auf die Wasser Gotlands oder die Sande der chilenischen Wüste immer auch auf die Ungewissheiten, die das problematische Verhältnis von Mensch und Natur charakterisieren. Es gehe nicht darum, dem Betrachter zu zeigen, was er sehen wolle, erklärt die Künstlerin, Kunst müsse zum Nachdenken anregen. Es bleibt insofern ein dankenswerter Umstand, dass die Kunst Britta Naumanns dem Betrachter nicht nur einen Ortswechsel ermöglicht, sondern diesen mit der rechtschaffenen Aufforderung verbindet, etwas aus der Reise zu machen.
Erwähnung im Magazin Kultouren vom Kunstverein Ribnitz-Damgarten e.V.; Text: Thomas Fehling